Mama Rosemary, wie die Gründerin und Leiterin vom Waisenhaus Sheryl’s Orphans Children Home liebevoll von allen genannt wird, war im August für 2 Wochen mit ihren mittlerweile erwachsenen Kindern Betty und Anette in der Ortenau zu Besuch.
Seit nahezu 15 Jahren besteht eine vertrauensvolle und intensive Zusammenarbeit zwischen dem Hohberger Förderverein Afridunga und Sheryl’s. Das Waisenhaus befindet sich in Port Victoria, einem Fischerdorf am Viktoriasee und wird von Mama Rosemary und ihrer Tochter Betty geleitet. Gemeinsam mit der ältesten Tochter Anette haben sie am vergangenen Mittwochabend sehr eindrücklich und authentisch von ihren sehr persönlichen Erfahrungen aus ihrer Kindheit, dem Leben in Kenia und der Entwicklung von Sheryl’s seit der Gründung bis heute berichtet.
Bereits in jungen Jahren wurde Mama Rosemary mit den harten Realitäten des Lebens konfrontiert. Von ihrer Mutter zurückgelassen – diese war als Teenager-Mutter mit sich selbst beschäftigt und auf der Suche nach Arbeit in Kenias Hauptstadt Nairobi – wuchs sie bei Verwandten in einem kenianischen Dorf auf. Ihre Kindheit war geprägt von Armut und dem ständigen Kampf ums Überleben. Sie schlief auf dem kalten Lehmboden und verdiente sich ihr tägliches Brot (bzw. Ugali, eine Art Maisbrei und das Hautgericht in Kenia) bereits im Kindergarten- und Grundschulalter durch harte, körperliche Arbeit. Allen Widerständen zum Trotz gab sie die Hoffnung auf ein besseres Leben nie auf setzte sich schulisch mit ihrem zerrissenen Rock, mit Kohle schreibend und nachts im Kerzenlicht lernend gegen Schüler:innen von wohlhabenderen Familien durch.
Nach erfolgreichem Schulabschluss und absolvierter Ausbildung fand sie schließlich eine Anstellung am Flughafen in Nairobi als Büroangestellte. Die Erfahrungen in ihrer Kindheit waren für sie Motivation und Antrieb, sich selbst für vernachlässigte und benachteiligte Kinder zu kümmern. Kein Kind sollte Hunger leider und die gleichen Erfahrungen wie sie machen müssen. Fest im christlichen Glauben verwurzelt hatte Rosemary stets das Vertrauen, dass Gott für sie in ausreichendem Maße Sorgen würde. Ihr erster Gedanke war stets bei den Kindern, die in ihrer direkten Nachbarschaft in Nairobi’s Slum Kibera auf der Straße und oft als Waisen aufwuchsen. Eigener Wohlstand und finanzielle Vorsorge waren für sie nie ein Thema. Sie selbst verbrachte die spätere Kindheit und Jugend in Kibera als eine der ca. 1,5 Millionen Bewohner:innen.
Bereits nach kurzer Zeit weitete Mama Rosemary ihre individuellen Nahrungsspenden für die Kinder im Slum von Kibera auf Narok im Land der Masai und Port Victoria, den Geburtsort ihres Mannes, aus. Im letzteren versorgte sie im Landhaus der Familie eine Gruppe von Waisenkindern am Viktoriasee mit regelmäßigen, warmen Mahlzeiten. Vorbild war Sheryl, die sich trotz Blindheit bis zu ihrem Tode selbstlos für benachteiligte und vernachlässigte Kinder einsetzte. Was als Suppenküche in den eigenen Räumlichkeiten begann, wurde schließlich auf einem benachbarten Grundstück in Port Victoria zum Waisenhaus Sheryl’s Orphans Children Home.
Mit Hilfe von einem Darlehen erwarb die Familie das dortige Grundstück und begann mit dem Bau von drei Klassenräumen, in denen bereits nach wenigen Monaten ca. 150 Waisenkinder von 3 ehrenamtlichen Fachkräften betreut und unterrichtet wurden. Steine, Kies, Sand und andere Baumaterialien wurden von der Familie, Nachbarn, Verwandten und Bekannten gespendet und zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf das Grundstück gebracht. Jede und jeder brachte sich im Rahmen der eigenen Möglichkeiten ein. Gekocht wurde in einer Blechhütte anfangs von Mama Rosemary selbst, später mit der Unterstützung von Nachbarn.
Durch den Kontakt zwischen Betty Murumba und Daniel Knäble während dem gemeinsamen Studium in England kam im Jahr 2009 der erste Projektbesuch in Kenia zustande. Noch im gleichen Jahr erfolgte die Gründung von Afridunga und der Beginn einer langjährigen und vertrauensvollen Zusammenarbeit.
Dank dem großartigen Engagement von Mama Rosemary und ihrer Familie und der vielseitigen Unterstützung aus der Ortenau und darüber hinaus konnten in den folgenden Jahren gemeinsam zahlreiche Projekte erfolgreich umgesetzt und über 300 Waisenkindern bessere Zukunftsaussichten ermöglicht werden. Dem Bau von Küche und Speiseraum folgten mehrere Klassenräume, sanitäre Anlagen, ein Brunnen, eine Solaranlage, ein Computerraum, eine Bibliothek, ein Büro und schließlich mehrere Werkstätten für den handwerklichen Bereich.
Während dem Interview mit Mama Rosemary und ihren Töchter wurde allen Besucher:innen im Pfarrsaal Niederschopfheim deutlich, dass sich die kenianischen Partner keineswegs auf dem bisher Erreichten ausruhen und sich ausschließlich auf die Unterstützung aus Deutschland verlassen. Mama Rosemary brennt nach wie vor für ihre Vision, den Waisenkindern am Viktoriasee eine erstrebenswerte Zukunft zu ermöglichen. Durch die Auszahlung ihrer Rente hat sie u.a. drei weitere Klassenräume finanziert. Ihre Tochter Betty hat vor einigen Jahren ihre Arbeitsstelle in Nairobi gekündigt, um ihre Mutter in Port Victoria zu unterstützen und Sheryl’s gemeinsam mit ihr zu leiten. Gleichzeitig bringen sich Mama Rosemary’s Mann sowie ihre anderen beiden erwachsenen Kinder Anette und Mike im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten und fachlichen Expertisen ein.
An diesem teilweise sehr emotionalen Abend wurde alle Anwesenden bewusst, dass alle Verantwortlichen von Sheryl’s und Afridunga gemeinsam mit den Waisenkindern am Viktoriasee positiv in die Zukunft blicken können. Die Vision von Mama Rosemary, ihr positive und hoffnungsvolle Ausstrahlung und ihr selbstloser Einsatz für die dortigen Kinder wird auch von der nächsten Generation weitergetragen. Der Förderverein Afridunga hofft, diese Vision auch in den kommenden Jahren durch die großzügige Unterstützung seiner Mitglieder, Paten, Freunde und Gönner im Alltag umzusetzen.
Bericht: Daniel Knäble
Bilder: Cindy Hackbusch / Nube Fotografie